BRUNNENSPRUNG

„Sprung in den Brunnen“ lautet der Titel der mehrteiligen Installation, die Sabine Neuhaus für das Brückenfestival realisiert. Eigens für diese Ausstellung konzipiert, stellt die Arbeit Objektbilder vor, mit denen die Zwischenräume der Stützpfeiler einer der Brückentürme im Untergeschoss verspannt werden, um einen neuen metaphorischen Raum entstehen zu lassen.

Arbeiten

Auf seinem Boden liegen Gänsefedern, womit der Titel als Anspielung auf das tiefenpsychologisch deutbare Märchen von Frau Holle über die metaphorische Inszenierung eines Brunnenraums hinausgehend, auch durch die Federn angedeutet wird. Bekanntlich müssen in dem Märchen der Brüder Grimm die beiden Stiefschwestern in den Brunnen springen. Auf einem Weg mit Prüfungen, der einem Läuterungsprozess gleichkommt und je nach Charakter der Mädchen unterschiedlich erfüllt wird, gelangen sie zu Frau Holle, um bei ihr im Himmel deren Betten auszuschütteln. Auf rotem Transparentpapier verdichten sich nunmehr bei Sabine Neuhaus in den durch Lichtquellen angestrahlten

Bildreliefs abstrakte Formen aus miteinander verbundenen Flips, wie wir sie als Füllmaterial zur Absicherung von Transportgut kennen. Sie bestehen aus Kartoffelstärke, womit sie zum lebenserhaltenden Sinnbild von Nahrung werden. Durch den Speichel von Sabine Neuhaus benetzt, haften sie auf dem Bildträger und werden zu unterschiedlichen Formen angeordnet. Angeregt von den Nestern von Insekten und Vögeln, übersetzt die in Bensberg bei Köln lebende Künstlerin diesen Arbeitsprozess seit längerem zur Gestaltung ihrer archaisch-skulpturalen Objekte.

Arbeiten

Stets spielt in den hierbei entstandenen offenen Gefäßschalen oder dem „Seelenturm“, so der Titel einer zentralen früheren Arbeit, das Motiv des Schutzes und der Behausung als symbolischem Verweis auf das Leben, ebenso wie auf die Möglichkeit zur stillen inneren Kontemplation eine sinnstiftende Bedeutung. Die für das Festival entwickelte Arbeit knüpft an diese Metaphorik an, denn auch das Motiv des Brunnens verbindet diesem Zusammenhang Kulturenübergreifend eine Vielzahl von Bedeutungsebenen. So verweist er auf das Wasser als Quell des Lebens, wird zum Jungbrunnen ebenso wie er auf die gesammelte Lebenserfahrung und die psychologisch deutbare Selentiefe des Menschen verweisen kann. Das Rot, von dem er in der Arbeit von Sabine Neuhaus signalhaftummauert ist, verstärkt auch auf farbsymbolischer Ebene diese Bedeutung.

Barbara Hofmann-Johnson