EINKLANG

Sabine Neuhaus präsentiert in ihrer Ausstellung drei verschiedene Werkgruppen: Grafiken, Bronzefiguren sowie eine Vorstufe zum Guss, eine Gipsvorlage (12 „Gefallener Engel“) - und eine frisch-freche Installation namens „Can-Can“.

Eines wird sehr schnell klar, dass nämlich die Künsterlin eine besondere Beziehung zu dem Material Holz hat. Die Grafiken (z. B. 1 „Spuren“ (grün-gelb-weiß), 2 „Spuren“ (rot-weiß); 4 „Lebenslinien I“, 5 „Lebenslinien II“) sind, auch wenn sie so leicht aus der Hand gezeichnet zu sein scheinen, Holzschnitte. Den Bronzen (z. B. 7 „Madonna“, 15 „Schleierhexe", 16 „Seraphin", 17 „Ecce Homo", 18 „Welle“, 19 „Flugente“) liegen hölzerne Fundstücke zugrunde. Für die „Petersburger Hängung“ (20) nahm sie zum Drucken die hölzernen Schilde, auf denen Geweihe montiert waren, sowie Bilderrahmen. „Ich habe fest gestellt, dass Holz mein Werkstoff ist“, so die Künstlerin, „Stein ist zu hart, verschließt sich mir - Holz hingegen öffnet sich, spricht mich an, sagt mir etwas.“ In der Tat ist für Sabine Neuhaus der Einklang mit der Natur ein wichtiges Thema, als Einklang mit der Schöpfung, mit Gott - nicht so sehr in kirchlicher Diktion, sondern eher in dem Sinne, dass nichts umsonst da ist, nie etwas verloren gehen kann, alles seinen Platz hat, und in allem Spuren des Numinosen, Göttlichen sind.

Die Madonna, die den Besucher in der Rotunde begrüßt, ist also eigentlich ein Stück Holz, das der Bensbergerin bei einem Waldspaziergang aufgefallen war. Der Eindruck war so intensiv, dass sie nicht anders konnte, als es mit heimnehmen. Eigentlich könnte man bei allen Fundstücken eher sagen, die Dinge finden sie - und nicht umgekehrt. Manchmal ist dann schnell klar, was aus dem ‚objet trouvé‘ gemacht werden soll, manchmal braucht es gar Jahre, wie bei der „Madonna“. Das ‚objet trouvé‘ ist ein Kind des 20. Jahrhunderts; seit Picasso und Marcel Duchamp lässt es sich aus der Kunstgeschichte nicht mehr weg denken. Das Besondere bei den Arbeiten von Sabine Neuhaus ist allerdings, dass sie diese gefundenen Objekte transformiert, ihnen in Bronze ein neues, durch die Künstlerin definiertes Dasein gibt. Je nach Legierung und weiterer Bearbeitung wie Patinieren kann der Bronze eine sehr differenzierte Oberfläche und auch Farbigkeit gegeben werden.So zeigt die „Welle“ (18) Grün auf ihrer Oberfläche, lässt uns an das grün-blaue Meer denken. „Ecce Homo“ ist bräunlich konnotiert, erinnert an den Körper Jesu, sich am Kreuze windend. Die „Flugente“ (19) scheint fast schwarz, mehr Farbe werden wir bei den Vögeln am Himmel auch nicht sehen können.

Die „Madonna“ ist eher golden, so dass der Betrachter leicht die Verwandschaft mit den gefaßten Skulpturen in Kirchen und Museen erkennen kann. Hinzu kommt, dass der Kopf des ansonsten recht abstrakt wirkenden Stückes leicht geneigt ist. In der Tat ist auch das eine Erfindung der Kunst, die ihre Wurzeln bereits im 14. Jahrhundert hat. Maria neigt ihren Kopf um besser hören zu können - nur so kann „das Wort Fleisch“ werden, durch ihr Hinhören und ihren Glauben… Auch die Einarbeitung von Wachs in die Oberfläche macht aus dem harten Metall etwas Weiches, Stofflliches, wie wir uns eben den Mantel der Himmelskönigin vorstellen können.

Eigentlich hat jedes Werk eine eigene Geschichte. Das kann der in Kroaiten gefundene Stein sein (47 und 48 „Kroate“), nicht mehr als Handteller groß; auch hier wieder transformiert, größer gemacht, in ein Holzbrett geschnitzt und dann gedruckt. Oder die Arbeit „Hommage an Picasso“ (49), in der Sabine Neuhaus ihre fünf Kinder, nur mit wenigen Linien, die Konturen ineinander übergehend, in bester Picasso'scher Manier eben, verewigt hat. Oder der tragische Hintergrund zu „Hommage an C.S.“ (50): Ein junger Sportler erfüllt sich einen Lebenstraum, einmal über dem Fewa See in Nepal Paragliding zu machen, und kommt dabei zu Tode. Ein Trost für die Eltern waren die Tagebuch-Aufzeichnungen des jungen Mannes, die vor Begeisterung und Vitalität nur so sprühen. Dort findet sich folgendes Gedicht, das Goethe zugeschrieben wird: „Auch das ist Kunst, ist eine (Gottes) Gabe aus sonnenhellen Tagen sich soviel Licht ins Herz zu tragen dass, wenn der Sommer längst verweht, das Leuchten immer noch besteht.“ Sabine Neuhaus hat in Spiegelschrift einen Auszug gedruckt - und auch hier den Text einem Stück Holz anvertraut.

Für ihre neueste Arbeit hat die Künstlerin die Welt ein wenig auf den Kopf gestellt: Geweihe, Sammlerstücke, „Bockspieße“ genannt, wenn das Geweih eben kein Mehrender ist, wurden von den ihnen unterlegten hölzernen Schilden befreit, umgedreht, und präsentlieren sich nun auf Kunstrasen ‚aufgepeppt‘ mit Barbie-Puppen-Schuhwerk. Statt auf den Helden des Waidwerks wird hier also auf jemand anderen verwiesen. Vielleicht auf den Großstadt-Jäger? Transformation der anderen Art…

Dr. Susanne Wischermann